Freitag, 12. August 2011

Hallo an Alle,
ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich nicht die Zeit zur Verfügung hatte, alle Posts zu lesen. Daher mag ich das eine oder andere nun doppelt erwähnen - ich bitte hier um Nachsicht.

Was ich hier lese, ist ein Verhalten, das ich ganz oft in Beratungen und auch in meinen Seminaren zu diesen Themen erlebe. Es ist ein ganz menschliches Verhalten, nämlich die Gedanken darüber, welche Motive ein Mobber (man verzeihe mir ebenso die nur männliche Schreibweise - in meiner Haltung und in meinen Texten impliziert dies auch immer die weibliche Form!) hat, um jemand anderen zu mobben.
Darüber können wir natürlich mutmaßen und es gibt - auch hier nachlesbar - eine ganze Reihe von Phantasien dazu. Das kann hilfreich sein, jedoch in welchem Kontext? Was tun wir, wenn wir diese Phantasien anstellen? Wir denken in das Außen, beschäftigen uns mit einer anderen Person oder einem Vorgang, der es uns Wert erscheint, mit unseren analytischen Gedanken belegt zu werden.Dies führt in aller Regel zu einem (vermeintlichen und auch trügerischen) Wohlgefühl, weil wir (auch hier gut sichtbar und immens wichtig!) die Erfahrung machen, dass es Menschen gibt, die sich mit uns zusammen tun und/oder Menschen, die ebenfalls betroffen sind.

Bei der kritischen Selbsreflexion wird man aber feststellen, dass irgend etwas immer noch nicht stimmt, obwohl wir jetzt schon so viel erfahren haben. Ich meine damit nicht neuerliche aktive Mobbingattacken, sondern mein eigenes Inneres, dass sich dennoch irgendwie wund und unsicher anfühlt.
Das Wohlergehensgefühl ist nämlich aus meiner Sicht deswegen trügerisch, weil ich stetig im Außen agiere. Damit mache ich mir eigentlich den Raum zu, mich um meine eigenen Wunden zu kümmern. Und das ist in gewisser Weise auch gesund - schmerzen diese Wunden doch ganz erheblich und ist das Gefühl der Machtlosigkeit oder Hilflosigkeit auch alles andere als angenehm.Kurz gesagt: wir intellektualisieren, damit wir Gefühle, die uns bedrohen, abwehren können.Dies ist ein zutiefst menschliches und auch gesundes Verhalten! Nicht auszudenken, was mit uns passieren würde, gäbe es nicht diese (und natürlich auch andere) Abwehrmechanismen.
Nun muss man schauen, welche Ziele verfolgt werden sollen. Manche Menschen sind damit zufrieden, denen reicht auch die intellektualisierte Wahrheit und Gegenwart, um das Schmerzhafte zu kompensieren.Häufig kommen solche Menschen nach einer Zeit in meine Praxis, berichten von ganz anderen Beschwerden und wir kommen im Laufe der Arbeit dann ganz schnell auf die "das-habe-ich-für-mich-gut-bereinigt"-Mobbingsituation.

Der innere Konflikt, die innere Wunde bleibt nämlich, darüber können wir solange nachdenken, wie wir wollen, es bleibt innen wund! Nun sucht sich unsere Psyche zur (scheinbaren) Bewältigung dieser Problematik andere Ventile, die dann u.U. zu neuerlichen Problemen führen.Diese Probleme mag man zuerst gar nicht in den Mobbingzusammenhang rücken, weil man ja der Meinung ist, man hat diese Situation bereinigt.Daher ist es nach meinem therapeutischen Konzept - und meine tägliche Praxis gibt mir Recht - wichtig, den Blick nach innen zu wenden und zwar zu jedem Zeitpunkt des Mobbingprozesses. Auch wenn man glaubt, man könne nicht ertragen, was dort findbar und sichtbar wird, kann ich aus meiner Erfahrung berichten: es wird niemand wirklich etwas passieren dabei, auch wenn die Angst davor noch so groß ist. Am besten ist es natürlich, solche Arbeiten begleitet zu machen. Es ist ein Irrglaube (der sich allerdings erstaunlich lange und konkret hält), dass man sich selbst therapieren und in die eigenen wirklichen Tiefen gelangen kann. Und das ist auch verdammt gut so! Wie sollte ich und mein Berufsstand sonst sein Geld verdienen? Scherz beiseite, wir würden es schlichtweg nicht ertragen, weil wir dort natürlich auch an unsere (vielleicht noch gar nicht gekannten) verletzlichen und gekränkten Seiten gelangen.
Mein/unser Ansatz ist daher immer der Blick nach innen, der mit einer kurzen Frage symbolisiert werden kann: Warum passiert MIR das JETZT?Hätte doch auch sein können, dass mir so etwas vor 5 Jahren passiert wäre, als ich dies oder jenes machte. Aber nein, es passiert mir HEUTE!Und: wieso passiert das eigentlich nicht meiner Nachbarin, die doch so viel sorgloser mit ihren Daten im Internet grassiert! Es passiert aber MIR!
Will sagen: der Zeitpunkt und die Person haben etwas zu bedeuten. Es ist wichtig zu schauen, in welcher Verfassung ich mich HEUTE befinde. Damit meine ich nicht den heutigen Tag, sondern die aktuelle psychische Verfassung. Bin ich glücklich, eher verschmerzt, befinde ich mich im Umbruch und weiß noch nicht so genau, befinde ich mich in einer Trennungssituation oder suche momentan Halt, befinde ich mich in einer euphorischen Haltung und neige zu Sorglosigkeit usw.

Dies ist nichts, was hier einfach mal so gepostet werden kann, weil es Selbsterkenntnisprozesse sind, die mit Zeit erforscht und offenkundig gemacht werden müssen.Und so wird man verstehen lernen, was es bedeutet und wie es eigentlich in mein Leben passt, dass ich ausgerechnet jetzt gemobbt werde. Und das ist schon die halbe Miete!Wenn ich mir diese inneren Prozesse und Konflikte ins Bewusstsein rücken konnte, wird die Bande zwischen Mobber und Gemobbten weiter und weiter brüchig, weil sich die inner Haltung des Gemobbten verändert und damit dem Mobbinggeschehen die Grundlage nimmt.

Ich werde nie die Beratung einer Abteilungsleiterin in einem aktuellen Mobbinggeschehen vergessen, die eigentlich sehr verkopft an die Sache heran ging und Tiefungsprozessen eher skeptisch gegenüber stand. Dann gab es eine Sitzung, in der wir sehr sehr tief gekommen sind - es ging ihr ganz schlecht zu dieser Zeit. In dieser Sitzung konnten wir verstehen lernen, was sozusagen der Aufhänger in ihr war, der von dem Mobber (ihr Vorgesetzter) ebenso unbewusst gefasst und zum Mobbing gebracht wurde. In den nächsten Stunden hatten wir neuerliche sehr tiefende Stunden, in der ich sie gut stützen konnte. Als sie sich wieder gesund schreiben ließ und zu ihrem Arbeitsplatz zurück kehrte, gab es noch ein paar eher schüchterne Attacken ihres Vorgesetzten. Diese führten aber nicht mehr zum Mobbing, weil sich die Haltung der Abteilungsleitung durch unsere tiefende Arbeit verändert hatte. Es passte dann einfach nicht mehr zusammen und das Mobbing war beendet!Das war keine Zauberheilung, ich will damit nur verdeutlichen, dass die potenteste Waffe gegen Mobbing unsere eigene Haltung ist. Das ist so einfach zu verstehen, wie schwierig in der Umsetzung! Daher eben auch nicht ohne Begleitung leistbar.Danach sollte dann nicht der Gedanke kommen, warum der Mobber wohl so etwas tut, sondern eher die Phantasien darüber, wie ich mit den gewonnen Erkenntnissen am besten umgehen kann. Ich muss also auch hier bei mir bleiben.

Abschließend möchte ich dazu noch sagen, dass die Gemobbten häufig im Schuldsystem verhaftet sind: Du (der Mobber) bist SCHULD daran, dass es mir so schlecht geht! Das mag vordergründig auch stimmen, aber ich habe damit eben genau so viel zu tun, dass eine Mobbinghandlung zustande kommt - ich hoffe, ich konnte das hier deutlich machen.

Der Dikussion hier folgend muss ich ehrlich gestehen, dass ich nicht wenig Lust hätte, Euch in unsere Beratungsstelle zu einem Seminar/Workshop zum Thema einzuladen.
Das wäre bestimmt sehr ergebnisreich :-O) Viele Grüße an alle, Torsten www.mobbingnetzwerk-nord.de *P.s.: darf ich Euch mit diesem Blog auf unserem Blog verlinken? (mobbingnetzwerk.wordpress.com)

2 Kommentare:

  1. Danke, Torsten, heute habe ich verstanden. Grüße von Regina

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  2. http://www.stalking-nrw.de/index.php?option=com_content&view=article&id=57&Itemid=67

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